Einblicke, Herausforderungen und Perspektiven – Interview mit dem BR des PBZ Tulln
- Jürgen Dostal
- 15. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Apr.
Jürgen Dostal (JD), Berater für Konfliktmanagement und Mitarbeiterbindung, spricht mit Erich Dorn, dem Betriebsratsvorsitzenden des Pflege- und Betreuungszentrums (PBZ) Tulln, und seiner Stellvertreterin Denise Müller. Im Fokus des Gesprächs stehen die konkreten Herausforderungen im Pflegealltag, die Anforderungen an Führung und Organisation sowie die Wünsche und Sorgen der Mitarbeiter:innen, ganz besonders vor dem Hintergrund der anstehenden Veränderungen.

JD: Bitte stellt euch kurz vor – was macht euch an eurer Aufgabe Freude?
Erich: Ich bin seit 2018 im Betriebsrat, seit Oktober 2024 freigestellt. Ich mag den Kontakt zu den Leuten, ihre Anliegen aufgreifen und unterstützen.
JD: Auch bei schwierigen Themen?
Erich: Ja, das belastet manchmal. Ich gehe dann bewusst in die Natur, das hilft mir, den Kopf freizubekommen.
Denise: Ich bin seit Oktober Stellvertreterin im Betriebsrat, arbeite aber weiterhin im Pflegeteam. Das hilft mir, Situationen sowohl als Kollegin als auch als Betriebsrätin zu sehen.
JD: Hat das Projekt PBZ Neu das Arbeitsklima verändert?
Erich: Ja, deutlich. Seit klar wurde, dass wir aufgeteilt werden, kommen täglich Fragen: "Was passiert mit mir?" Unsere Hilfe: Zuhören, ehrlich sagen, was wir wissen, und beruhigen.
Denise: Bei uns war es durch die unklare Situation besonders heikel. Aber seit dem Info-Tag ist spürbar mehr Ruhe – nicht für alle ideal, aber klarer. Die Leute sagen jetzt: "Ich schau’s mir an."
JD: Ist Klarheit, auch wenn sie unbequem ist, hilfreicher als Ungewissheit?
Erich: Ja, das sehen wir deutlich. Die Teamzugehörigkeit gibt Halt – viele sagen: "Wenn mein Team geht, geh ich mit."
JD: Glaubt ihr, dass die Teams auch an neuen Standorten zusammenhalten?
Denise: Für den Anfang bestimmt. Viele wünschen sich auch, später wieder zurückzukommen.
Erich: Schwieriger wird es mit der Zeit, vor allem wegen Pensionierungen. Neue Mitarbeiter zu gewinnen mit Aussicht auf Rückversetzung ist herausfordernd.
JD: Woher kommt die starke Bindung in den Teams?
Erich: Viele sind seit Jahrzehnten hier. Das schafft Nähe und Vertrauen. In Einzelgesprächen war viel Emotion spürbar.
JD: Und wenn sich das Team an einem neuen Standort weiterentwickelt?
Erich: Möglich – aber private Faktoren wie Anfahrt und Vereinbarkeit könnten dem entgegenstehe.
JD: Denise, du hast früher weite Wege in Kauf genommen. Wie bist du damit umgegangen?
Denise: Ich bin damals extra aus Wien weggezogen, weil der Weg zu lang war. Ich brauche mein eigenes Bett, keine Dienstwohnung.
JD: Also hast du auch für dich eine Veränderung vorgenommen – weg von der Stadt, näher zum Arbeitsplatz?
Denise: Genau.
JD: Wie hat sich die Kommunikation nach der Mitarbeiter-Veranstaltung verändert?
Denise: Die Themen sind andere. Jetzt geht es eher darum, wie es am neuen Standort sein wird: Wo sind meine Sachen? Wie funktioniert das Mittagessen? Wie ist das Team dort?
JD: Veränderung fällt schwer – warum ist das so?
Erich: Weil wir Gewohnheitstiere sind. Und weil Veränderungen Existenzängste auslösen können – besonders wenn man glaubt, dass es woanders vielleicht nicht besser wird.
JD: Also geht’s darum, mit den Ängsten umzugehen – aber auch Chancen zu erkennen. Welche wären das?
Denise: Größere Zimmer, mehr Bewegungsfreiheit – für Bewohner und Personal. Vielleicht auch näher zum Wohnort.
Erich: Und neue Standards, arbeitserleichternde Maßnahmen. Vielleicht lernen wir an den Ausweichstandorten sogar Dinge, die wir dann übernehmen können.
JD: Worauf seid ihr stolz?
Erich: Dass wir durch die Gespräche Positives bewirken konnten – auch wenn’s psychisch belastend war.
Denise: Wir sind nach wie vor für alle da – auch wenn es mehrere Standorte sind.
Erich: Und wir konnten Dinge wie Weihnachtsfeier, Betriebsausflug und Geschenke trotz der Veränderungen erhalten.
JD: Was brauchen Menschen, damit sie Freude an der Arbeit haben?
Denise: Das Strahlen der Bewohner. Wenn was zurückkommt – das motiviert.
Erich: Ja, das gibt viel. Aber wichtig ist auch: Zeit. Wenn ich mir Zeit nehmen kann für Geschichten, Gespräche – das tut allen gut.
JD: Und was bringt die Balance zwischen Leistung und Menschlichkeit?
Erich: Offene Kommunikation. Fehler dürfen passieren – Hauptsache, wir reden drüber. Nicht draufhauen, sondern fragen: Was brauchst du, damit’s besser läuft?
JD: Also: Fehlerkultur ist auch Wertschätzung?
Erich: Absolut. Wenn ich ernst genommen werde, fühlt sich das gut an.
JD: Wird das im Alltag auch so erlebt?
Erich: Teils, teils. Manches kommt gar nicht bei uns an – Lob von außen zum Beispiel.
JD: Dabei wird so positiv über euch gesprochen. Angehörige sind dankbar.
Denise: Schön, das zu hören. Das kommt bei uns selten an.
JD: Was würdet ihr euch wünschen?
Denise: Mehr Zeit. Und ein helles, freundliches Haus. Veränderung darf sein – aber menschlich.
JD: Ich danke euch für das Gespräch.
Fazit
Das Interview mit Erich und Denise zeigt: Das PBZ Tulln steht vor großen Veränderungen – und nutzt sie als Chance. Doch im Alltag sind die Herausforderungen spürbar. Der Betriebsrat versteht sich als Sprachrohr der Mitarbeiter:innen und als gestaltende Kraft im Wandel. Es wird deutlich, welche hohe Bedeutung offene Kommunikation, gegenseitige Wertschätzung und strukturelle Entlastung haben, um die Qualität der Pflege und das Arbeitsklima nachhaltig zu sichern.
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