Paprika, Perspektiven und Pflege neu denken
- Jürgen Dostal
- 25. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Ein Gespräch mit Alexander Wedekind über Führung, Verantwortung und kleine Geschichten mit großer Wirkung
Manche Sätze bleiben. Etwa der Moment, als eine Bewohnerin nach dem Umzug in den Weißen Hof stolz zu ihrem Blumenkasten ging und sagte:„Ich hatte noch nie einen Balkon. Und jetzt kann ich Paprika ernten.“
Solche Augenblicke zeigen, worum es in der Pflege wirklich geht: um Lebensqualität, Teilhabe und Menschlichkeit. Alexander Wedekind hat in den letzten Wochen nicht nur die Übersiedlung mehrerer Wohnbereiche begleitet, sondern auch viele dieser kleinen, berührenden Geschichten erlebt – gemeinsam mit Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitenden.
Im Interview erzählt er von diesen Erlebnissen – und über das, was darüber hinausgeht: seine Bestellung zum Pflegedirektor, die gestiegenen Verantwortungen und seine Vision für das PBZ Neu als zukunftsfähiges, menschliches und innovatives Haus.

Herr Wedekind, Sie sind mit 1. August offiziell zum Pflegedirektor des PBZ Tulln bestellt. Zunächst einmal Gratulation dazu. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Ich habe diese Rolle de facto schon seit Oktober letzten Jahres ausgefüllt. Mit der offiziellen Bestellung hat sich für mich das Ausmaß der Verantwortung noch einmal verändert – ich bin damit in einer anderen Dimension angekommen. Es geht dabei auch um rechtliche Verantwortung, zum Beispiel was Arbeitszeiten oder Arbeitssicherheit betrifft. Aber vor allem sehe ich es als Möglichkeit, jetzt auch mit meinem kaufmännischen Partner Gregor Kopa das PBZ und PSBZ in die Zukunft zu führen – mit offizieller Legitimation.
Sie haben den Umzug an den Standort „Weißer Hof“ eng begleitet. Wie haben Sie diesen Prozess erlebt?
In Phasen sehr unterschiedlich. Am Beginn, bei der Mitteilung an die Mitarbeiter, war da natürlich Verunsicherung. Gleichzeitig war aber auch viel Kraft und Engagement spürbar – auf allen Ebenen. Niemand hat einen Regentanz aufgeführt – wir mussten mit der Situation umgehen. Und genau darin liegt auch Gestaltungsspielraum. Es war ein Prozess mit vielen kleinen Themen, die sich rasch gelöst haben, weil alle mitgezogen haben – mit Herzblut und Zeitinvestition. Ich denke, wir konnten auch Skeptiker mitnehmen.
Was waren Herausforderungen während der Übersiedlung?
Das beginnt bei der IT, die wir erst zum Laufen bringen mussten, geht weiter zu neuen Lieferketten oder Dingen wie: Woher bekommen wir jetzt Geburtstagsblumen? Es sind oft Kleinigkeiten, die aber im Alltag wichtig sind. Diese Phase, die ich als „Ankommensphase“ bezeichnen würde, war und ist sehr dynamisch. Aber man sieht, dass viele Themen sehr rasch gelöst werden konnten – weil sich alle aktiv einbringen.
Gab es Momente, die Sie persönlich besonders berührt haben?
Ja, definitiv. Zum Beispiel der Tag vor der Übersiedlung, an dem ich mit dem Team vom Wohnbereich 4 Lieferungen angenommen und Stationseinrichtungen mit aufgebaut habe – gemeinsam mit Dave, Christopher und Simona. Das war eine ganz andere Art der Nähe zu den Mitarbeitenden. Ich habe das für mich persönlich sehr positiv wahrgenommen.
Oder die Situation kurz nach der Übersiedlung: Eine Bewohnerin kam aus ihrem Zimmer, ging stolz zu ihrem Gemüsekasten am Balkon und zeigte ihre Paprika. "Schaut euch diese Paprikas an. Ich freue mich schon, ich kann gleich ernten." – das war für sie ein sehr bedeutender Moment. Solche Geschichten zeigen, dass wir mehr gestalten als Prozesse – nämlich Lebensqualität.
Sie haben in Ihrer Laufbahn bereits mehrere Umzüge begleitet. Gibt es Unterschiede zum PBZ Tulln?
Ja, deutliche. In der Akutpflege ist man als geschlossenes System in ein neues geschlossenes System gezogen – das ist hier anders. Wir befinden uns in Ausweichquartieren, in Strukturen anderer Träger. Das bedeutet auch, dass es nicht an allen Standorten feste Ansprechpersonen für jede Berufsgruppe gibt. Wir sind dankbar für die Unterstützung, z. B. durch die Haustechnik oder die IT am Weißen Hof – ohne diese Zusammenarbeit wäre das in dieser Form nicht möglich gewesen.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich sehe mich in unterschiedlichen Rollen, je nachdem, mit wem ich arbeite. Bei erfahrenen Führungskräften nehme ich eher die Rolle eines Regisseurs ein, der ihnen Raum lässt. Bei neuen oder weniger erfahrenen Kolleginnen und Kollegen sehe ich mich als Mentor. Mir ist es wichtig, Menschen in ihrer Funktion zu befähigen – nicht abzunehmen, sondern zu ermöglichen. Das gilt unabhängig von Position oder Qualifikation.
Ich versuche auch bewusst, mich als Person von meiner Funktion zu trennen. Ich bin der Alex – solange jeder weiß, was seine Aufgabe ist und diese erfüllt, muss man mich nicht mit „Herr Pflegedirektor“ anreden. Mir ist ein menschliches, wertschätzendes Miteinander wichtig – auf Augenhöhe, aber auch mit klaren Erwartungen.
Wie reagieren Sie auf unterschiedliche Lebensphasen von Mitarbeitenden?
Ich versuche, dem Rechnung zu tragen – ob bei älteren Mitarbeitenden, die sich eine ruhigere Tätigkeit wünschen, oder bei jungen Müttern mit Bedarf nach Vormittagsdiensten. Das Berufsleben ist ein Prozess, der sich verändert, und es ist unsere Aufgabe, darauf einzugehen – soweit es organisatorisch möglich ist. Ich sehe es als Aufgabe der Führung, Bedingungen zu schaffen, in denen Menschen gut arbeiten können.
Was ist Ihre Vision für das PBZ neu?
Ich möchte gemeinsam mit allen Beteiligten einen Arbeitsplatz schaffen, der nicht nur funktional ist, sondern auch als erfüllend empfunden wird. Wir müssen das PBZ in seiner Grundstruktur weiterdenken – auch, um auf die veränderten Anforderungen der kommenden Bewohnergeneration reagieren zu können. Die Menschen sind digitaler geworden, haben andere Wünsche, andere Lebensläufe. Der Bedarf ändert sich und da fehlt uns mit einem Tageszentrum in der Betreuung noch ein wichtiger Baustein, den wir jetzt aber setzen können. Das betrifft auch natürlich auch die Mitarbeitenden.
Bleiben wir noch etwas beim Thema "Tageszentrum" – wohin geht da die Entwicklung?
Tageszentren ermöglichen andere Einsatzformen – ohne Nacht- oder Wochenenddienste, mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten. Das kann sowohl für ältere Mitarbeitende als auch für Kolleginnen mit Betreuungspflichten ein attraktives Angebot sein. Gleichzeitig können dort auch andere Berufsgruppen verstärkt eingebunden werden, etwa aus der Pädagogik oder Sozialbetreuung. Das Tageszentrum ist für mich eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Angebot.
Welche Rolle spielt Innovation für das neue PBZ Tulln dabei?
Eine große. Wir setzen zunehmend auf smarte Technologien, z. B. Sensortechnik, Radarüberwachung, moderne Raumlösungen. Das soll die Arbeit erleichtern und sicherer machen. Wir gestalten nicht nur Pflege neu, sondern auch Arbeitsprozesse – damit der Arbeitsplatz zukunftssicher und attraktiv bleibt. Das betrifft auch das bauliche Umfeld: breitere Türen, offene Bäder, großzügige Bewegungsflächen. Alles das, was sich Pflegekräfte schon lange wünschen.
Wie kann das PBZ Tulln zu einem Vorzeigemodell werden.
Ich behaupte, dass es das schon ist. Bei den letzten Pflegeeinschaun hat es kaum Beanstandungen gegeben. Im Bereich der Langzeitpflege und Übergangspflege wurde uns zurückgemeldet, dass viele unserer Ansätze auch für andere Häuser als Vorbild dienen könnten. Im PSBZ-Bereich gab es überhaupt keine Mängel. Das zeigt mir, dass wir organisatorisch wie menschlich auf einem guten Weg sind.
Abschließend: Wenn Sie mit einer jungen potenziellen Bewerberin oder einem jungen Bewerber im Aufzug stehen – was sagen Sie in 30 Sekunden, um sie für das PBZ zu gewinnen?
Was, Sie haben sich bei uns noch nicht beworben? Bei uns erwartet Sie ein Arbeitsplatz mit Gestaltungsspielraum, Innovationsbereitschaft und einem Führungsteam, das bereit ist, Verantwortung zu teilen. Sie treffen auf ein Team, das gemeinsam Zukunft gestalten will. Und wir freuen uns auf Menschen, die das mittragen wollen.
Das Interview führte Jürgen Dostal (25. Juli 2025)
Comments